Das Wetter war nicht sonderlich schön, es war kalt und es regnete. Sein Weg lag auf meinem. Darum beschloss ich ihm einen Gefallen zu tun. Ich bot ihm eine Mitfahrgelegenheit in den frühen Morgenstunden an. Nach langem Überlegen willigte der Kleene ein. Nachdem ich einige Pulloverwechsel ohne großes Ausrasten überstanden hatte, verließen wir die Wohnung um unseren Tagesverrichtungen nachzugehen.
Er war ruhig, sagte keinen Ton. Bei der nächsten Ampel fragte er mich, ob ich ihn an der üblichen Stelle, etwas weiter weg vom Schuleingang rauslassen könnte. Ich tönte etwas von Möglicherweise. Ich hatte gelernt mich niemals festzulegen.
Wir näherten uns dem Zielort, als er plötzlich die Kapuze über seinen Haarschopf zog und seinen Oberkörper gen Boden neigte. Er tauchte ab. „Was machst du da?“, fragte ich. Ich erhielt keine Antwort. „Du musst dich nicht verstecken, dich sieht keiner durch die Scheiben. Das muss dir nicht peinlich sein, dass ich dich zur Schule bringe“, sagte ich laut.
Er blieb stumm. Er war noch immer damit beschäftigt seine Position zu halten. Ich zog die Brauen nach oben. Langsam, mit Tempo 30 fuhren wir an dem Schulgebäude vorbei. Die Kindergruppen verdichteten sich. Schulkinder allein, zu zweit oder mit ihren Eltern. Ich bog in die Seitenstraße ein. Es handelte sich um die Parkzeile in der Agent 007 unbehelligt aussteigen konnte. Vorsichtig drehte ich den Autoschlüssel um. Der Motor schnurrte leise ins Aus.
„Sind wir da?“ zischte er nach vorn.
Ich nickte. Dann richtete er seinen Körper auf und rotierte den Hals. Er öffnete die Autotür. Stumm setzte er seine neuen Schuhe auf den Asphalt. Sie leuchten Neon. Konnten sie ihm zum Verhängnis werden? Routiniert überquerte er die Straße. Von Weitem wies er mir einen zähnezeigenden Blick zu, der sich sekundenschnell verkühlte.
2 Antworten zu “Abgetaucht”
Mir gefällt dein Schreibstil! 🙂
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Vielen Dank! 🙂
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