Es ist Juni und es ist warm. Die Leute sind kurzweilig gekleidet. Sie tragen Tops und kurze Hosen, Miniröcke oder lange Kleider. Ein Mann betritt die U-Bahn mit einem weißgerippten Unterhemd. Die Haare daneben, kräuseln sich auf der nackten Haut. Seine Nacktheit ist ihm egal, er liest gelassen in der Zeitung. Niemand stößt sich an seinem Äußeren und ich denke nur, dass ich auf keinen Fall neben ihm sitzen und in Kontakt mit Haut und Haaren kommen möchte.
Der Obdachlose, der am U-Bahnhof seine Zeitungen verkauft, hat auch die Kleidung und den Haarschnitt verändert. Die Locken hat er abgeschnitten und auch er hat ein graues Unterhemd an. Scheinbar sind Unterhemden diesen Sommer Up to Date.
Auf dem Weg nach Hause springe ich am U-Bahnhof Gesundbrunnen in die S-Bahn, die Signallampe leuchtet rot, ich höre den Ton, der sagt, dass die Tür schließt. Hinter mir springt eine Frau in die Bahn und ein weiterer Mensch. Während des Springens schließt die Tür. Der junge Mann rettet sich in das Abteil, nur klemmt ein äußerer Zipfel seiner Jacke dazwischen. Er zieht daran, doch dieser ist fest verankert. Unumstößlich gefangen zwischen den Türen. Die Bahn fährt los. Der junge Mann schafft es sich zu entkleiden, nun hängt nur noch die Jacke lose herunter. Er glaubt an der nächsten Haltestelle wird sich die Tür öffnen und er kann das kleine Malheur vergessen. Einfahrt Schönhauser Allee. Hier gibt es nicht vier Gleise, sondern nur zwei. Die Türen auf der gegenüberliegenden Seite öffnen sich und die Jacke klemmt noch immer fest. Er ist überrascht, denn er hatte mit einem Wendepunkt gerechnet, mit der Freiheit seiner Jacke, wieder Herr über Hab und Gut zu werden. Er wird unsicher, soll er die Bekleidung zurücklassen oder noch eine Runde mit der Ringbahn fahren, bis er am Bahnhof Gesundbrunnen angelangt ist?
Leider werde ich nie herausfinden welchen genialen Plan der junge Mann in die Tat umgesetzt hat, denn ich bin S-Bahnhof Prenzlauer Allee ausgestiegen.