Gespräche mit dem Kleenen/ Berufsstände


Der dritte Geburtstag eines Freundes in diesem Monat. So viele Kumpels wie er hatte, würde er zum Partyking werden. Die soziale Ader hatte er keinesfalls von mir. Trotzdem, ich hieß das Partygemenge gut. Der Kleene sollte seinen Spaß haben, auch wenn die Finanzierung der Geschenke meine Wenigkeit traf.

Die Eltern des Geburtstagskindes boten auf. Ein buntes Klettern mit all den Gören war anberaumt. Pünktlich um sieben Uhr Abends sollten die Feierwütigen abgeholt werden.

Ein gut aussehender Mann öffnete die Tür. Sicherlich gehörte er nicht zu der modernen Väterschaft, redete ich mir ein. Er lächelte freundlich, redete jedoch nicht. Sprach er kein Deutsch? Sollte ich ihn mit einer Mischung aus spanisch und englischen Floskeln die Kindererziehung näher erläutern?

Der Kleene zischte vorüber, mit ihm zwei andere Kinder. „Halt“, setzte ich den Befehl.

„Oh nein, noch nicht“, verfiel er plötzlich in ein lautes Jammern, als er mich erblickte.

„Doch, Kindergeburtstag ist vorbei“, nickte ich.

„Ich will aber noch nicht gehen.“

Gerade wollte ich ansetzen, zu wenn es am Schönsten ist…, als die Geburtstagsmutter vorbei schneite. „Wir haben noch gar nicht gegessen. Wenn du willst kannst du hier bleiben“, säuselte sie mit zarter Stimme.

„Ja, also warum nicht“, glaubte ich mich in freudiger Erwartung auf Gurken und ein Glas Wein. Ich trat einige Schritte in den langen Flur. Dann suchte ich den Kleenen auf und verkündigte ihm die frohe Botschaft.

„Ich will nicht, dass du hier bist“, zog er die Nasenflügel zusammen.

„Warum den nicht und überhaupt rede nicht in so einem Ton mit mir“, versuchte ich die mütterliche Autorität zu retten.

„Ich will es nicht“, verflüchtigte er sich in das Kinderzimmer.

Die Einsicht währte. Sicherlich hätte ich es damals auch nicht sonderlich großartig geheißen, wäre meine Mutter in die leerstehenden Häusern eingedrungen, hätte ausgeschenkt und eine Tüte nach der anderen geraucht. Nein, ich glaube, dass wäre nichts mir für mich gewesen. Die Rebellion beanspruchte ich ganz für mich allein. „Hör zu“, zupfte ich ihn am T-Shirt. „Ich gehe noch mal ne Runde um den Block. Ich hole dich in einer halben Stunde ab.“

Ungehört vertiefte er sich in das dämliche Legospiel. Ich verschwand nach unten, lief durch die Straßen vom Prenzlauer Berg, schoss Bilder von abendsonne beworfenen Fassaden und kehrte lässig zum Ort des Geschehens zurück.

Die Geburtstagsmutter öffnete wiederholt die Tür. Der lächelnde Mann von vorhin war verschwunden.

„Na, wie war die Party“, setzte ich das Gute-Laune-Gesicht auf.

„Musst du deinen Sohn fragen“, antwortete sie mit näselnder Stimme.

Aha, dachte ich. In Fragen der Kommunikation war sie wohl nicht sonderlich geübt. Sicherlich gehörte sie zu den Selbständigkeitsmüttern die keinerlei Auskunft erteilten.

Nichts desto trotz kam der Kleene angetrottet.

„Los auf geht’s“, begrüßte ich ihn.

„Hallo Mama“, zog er sich die Schuhe an. Die Wangen leuchteten verdächtig rot.

„Bist du krank oder was ist los?“

„Nee wir haben nur Fußball gespielt“, antwortete er müde.

Während wir die Treppen nach unten polterten grinste er vor sich hin. „Antons Freunde sind verrückt. Der eine hat sich immer wieder aufgeregt und geheult. Der andere würde ich sagen, war einfach komisch.“

„Also, du meinst, dass man die Augenbrauen hochzieht und sich gehaltvoll räuspert?“

„Na ja, also komisch, also so, dass er später bestimmt mal in den Knast kommt.“

„Was in den Knast?“, rief ich aus.

„Oder vielleicht auch nicht, vielleicht wird er ein normaler Bürger oder ein Polizist“, wiegelte er ab.

„So ist das im Leben, ist alles nah beieinander, einer der für die Gerechtigkeit einsteht und einer der ein Dieb ist“, zog ich ihn an der Hand über den Fußweg.

„Ein Polizist der klaut?“

„Nicht ganz, ein zu komplexes Thema“, summte ich in die Dunkelheit. Mein Gehirn bildete Tütchen ab, an denen sich die Herren der Sicherheit vergriffen. Ich hatte nicht vor das gesamte Weltbild des Kleenen, die nahestehende Einteilung in Gut und Böse zu ruinieren, also schwenkte ich um.

„Los, komm, beeil dich ein bisschen. Du musst gleich ins Bett. Morgen ist wieder Schule.“

„Was, ich will noch Fernsehen gucken?“, erregte er sich.

„Nee, Fernsehen gibt es nicht. Du warst eindeutig zu lang auf der Party“, diskutierten wir uns beide in Rage bis wir endlich vor der heimeligen Tür der Prenzlauer Berg Wohnung standen.


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