Der Kopenhagen Radweg lockte und so fuhr ich mit den Freundinnen hinaus in die Natur. Wir beschlossen ohne Mitnahme von Nudeltöpfen und Kocher auszukommen, denn einkehren könne man ja bekanntlich überall. Auf der Karte leuchtete wagemutig das Zeichen für Gastronomie in fast jedem Ort.
Der erste Abend ließ uns innehalten. Nach einer Fahrt von fünfzig Kilometern von Oranienburg zum Kleinen Wentower See waren wir überaus glücklich die Zelte auf dem Campingplatz aufzuschlagen. Vor sechs Uhr standen die Plastikbehausungen und wir watschelten gut gelaunt in den Ort. Das Gasthaus fanden wir geschlossen vor. Resigniert kehrten wir zurück und fragten den Zeltplatzwart wo es jetzt noch was gebe.
„Hier gibt’s nichts. Alles zu. Weit und breit nichts zu holen. Wenn sie was kaufen wollen schließ ich ihnen den Laden auf.“
Wir nickten, liefen zielstrebig hinter ihm her. Schnell entschlossen griffen wir zu Chips und Bier. Mit unserem Hab und Gut machten wir es uns auf der Gartenbank unter der großen Linde gemütlich. Vor uns kampierte eine Familie mit drei Kindern. Der Vater kochte, rief zum Abendbrot. Alle kamen, nur Klein Ella wollte nicht. Sie saß noch immer wegen irgendeiner Sache auf der Rutsche und wollte einfach nicht runterkommen. Fast wäre ich aufgesprungen, hätte laut aufgeschrien. „Dann gib mir die verdammten Nudeln. Wenn die Kleene nicht will, dann muss sie ja nisch.“ Ich hielt mich im Zaum und knabberte traumatisiert mit meinen Radfreundinnen an den Chips.
Tag zwei hatte es kulinarisch ebenso in sich. Ängstlich, zugleich gierig nahmen wir das Cafe in Himmelpfort in Besitz. Die Karte zeigte vier Gerichte. Nicht sonderlich viel, aber gut, für jeden war etwas dabei. Nochmals sah ich das Essen notiert mit Kreide auf einer Tafel. Bestellt werden musste bei Mutti an der Theke.
Mutig brachte ich die Worte über die Lippen. „Das Rösti bitte, mit Apfelmuss.“
Die schnittige Antwort kam auch hier in Sekundenschnelle. „Das gibt’s nisch.“
„Ach so. Ja, dann nehme ich die Suppe“, sagte ich schon fast entschuldigend.
Gott sei Dank schien die Sonne und die Begleiterinnen waren vollauf zufrieden mit ihrem Essen und den Getränken. So traten wir uns daraufhin die Beine in den Bauch bis dass der Regen hernieder kam. Der hatte es in sich. Ein richtiger Schauer, der sich zu einem lang anhaltendem Niederprasseln ausweitete. Durchnässt suchten wir uns in Wesenberg eine Bleibe, was ebenso nicht sonderlich einfach war. Mit viel Überredungskunst bekamen wir das Zimmer. Ein glücklicher Moment.
Wie am Abend zuvor wollten wir etwas essen. Es war 20 Uhr. Das Gasthaus und der Imbiss luden zum Schmaus ein. Wir entschieden uns für den Imbiss. Ein sehr fleißiger Imbissbesitzer versorgte die lange Schlange an Menschen. Wartezeit musste eingeplant werden. Ich hörte etwas munkeln, dass es möglicherweise keinen Döner mehr geben würde. Als ich an der Reihe war einigten wir uns auf einen Falafel mit einer Teigummantelung. Siehe da, plötzlich gab es noch ein Brot mit Dönerfleisch für meine hungrige Radfreundin. Nachdem wir nun fast satt waren, verlangte es uns nach einem Eis. Im Imbiss standen zwei Eispappen mit den bunt gedruckten Varianten verschiedener Sorten.
„Wir würden noch ein Eis kaufen“, sagte Britta.
Die Antwort kam prompt. „Gibt’s nisch.“
„Naja wir dachten, wegen den Schildern“, wandte sie höflich ein.
„Nee, die muss ich mal wegräumen. Eis haben wir nisch. Sie können es ja mal im Gasthaus versuchen.“
„Danke ja, machen wir“, drehten wir uns mit geschlossenem Mund um.
Wohlgenährt von einem leckeren Pensionsfrühstück machten wir uns am Tag drei auf den Weg in Richtung Waren. Nachmittags nach einem wunderbaren Bad im See kam der Hunger. Ein Imbiss am Wegesrand pries seine Möglichkeiten an. Selbstbedienung wieder mal. Vor mir bestellte eine Frau Bratkartoffeln mit Spiegelei. Das klang gut, das wollte ich auch haben. Meine Radfreundin stand akkurat hinter mir. Plötzlich aus dem Nichts, schob sie sich vor, drängte mich und mein Hungerbedürfnis zur Seite. Ich moserte, doch sie gab völlig unbeirrt die Bestellung ab. Bratkartoffeln mit Spiegelei.
Nun war ich an der Reihe. „Einmal Bratkartoffeln mit Spiegelei“, setzte ich die Anweisung.
„Gibt’s nisch“, brummte mir die Mutti in der Küchenschürze entgegen.
„Wieso? Verstehe ich nicht“, entgegnete ich ihr.
„Die Eier sind alle“, zuckte sie mit den Schultern.
„He Leute“, brüllte ich zu den am Tisch sitzenden Freundinnen. „Hier gibt’s nischt. Keine Bratkartoffeln mit Spiegelei.“
Sie lachten sich kaputt, schlugen sich auf die Schenkel.
Ich grinste der Thekenmutti in Gesicht. „Dann nehme ich die Eier kuchen, die gibt’s ja noch oder?
Tag vier überstand ich mit einem ausreichenden Frühstück und einer halben Pizza zum Mittagessen. Danach nahmen ich, Muskelkater geplagt und eine der Freundinnen den Zug nach Berlin. Trotz all der Strapazen waren es vier wundervolle Tage. Hoffentlich nächstes Jahr wieder nur mit genug Essen im Gepäck.