Gespräche mit dem Kleenen


 

Schwimmstunde

Vier Tage noch. Probestunde Schwimmkurs. Ich redete, bearbeitete den Kleenen, sagte wie wichtig das wäre. Das Überleben in tiefen Gewässern gesichert durch einige wenige Schwimmzüge.

Er sprach dagegen, meinte Schwimmärmel würden es auch tun, überhaupt käme sofort einer angesprungen und würde ihn retten.

Ein maßloses Vertrauen hatte das Kind. Wo er das bloß her nahm? Ich jammerte, klagte, bat ihn die Entscheidung gut abzuwägen, an die Wünsche der Mutter zu denken, und doch bitte schön die folgenden Stunden hinzugehen. Alles zu seinem Wohl, selbstverständlich.

Seine Reaktion schlussfolgerte sich in den Worten, dass die Entscheidung schon längst gefallen wäre und er auf keinen Fall den blöden Kurs machen würde.

Ich wartete ab, schwieg, bohrte, arbeitete mit taktischem Kalkül. Letztendlich zog ich mich vollkommen zurück.

Da wir eine zeitgemäße gesplittete Familie waren, brachte der Vater letztendlich das Kind zum Schwimmkurs. Er redete dem Kleenen gut zu und setzte ihn am Badewannenrand ab. Abends, zur verabredeten Zeit klopfte es lautstark an die Tür. Der Vater erzählte, sprach positiv. Alles hätte gefallen, gut gepasst. Jetzt läge es nur noch an dem Kleenen. Es bräuchte die Zustimmung des Ausführenden, den beurkundeten Willen, des Schwimmers. Nächsten Sonntag wieder und überhaupt, dann kannst du vor den Sommerferien noch schwimmen, formulierte er die Meinung.

Einen großen Gefallen würdest du deinen Eltern tun, rahmte ich das ganze in ein Eltern- Kindgespräch. Ich sagte bewusst nicht Mutter. Der Vater sollte sich keinesfalls ausgeschlossen fühlen und überhaupt war der gemeinsame Wunsch, eine Wand, die für das Kind naturbedingt schwer zu durchbrechen war. Schamlos nutzte ich die Chance.

Ich gehe nicht hin, und das heißt JA, hörte ich auf einmal ein Stimmchen. Nach kurzem Innehalten schrie ich auf, stimmte ein Freudengeheul an, gratulierte zur Entscheidung. Der Vater ebenso, freute sich, sagte das wird schon. Alles wird gut, alles wird besser und dann wenn du erst schwimmen kannst, dann bist du nicht mehr zu halten.

Nach der abendlich Futterei sprang er mir auf den Schoss.

„Schön, dass du das jetzt machst“, bestätigte ich ihn.

„Aber eins werde ich nicht tun. Tauchen, ich werde nie tauchen, egal wie alt ich bin.“

„Das musst du ja auch nicht.“

„Wenn man das Seepferdchenabzeichen haben will, muss man tauchen“, schaute er mich mit großen Augen an.

„Stimmt auch wieder.“

„Ich will das Seepferdabzeichen, aber nicht tauchen!“

„Mach dir nicht so viel Sorgen. Ist doch nur ein Abzeichen. Nichts besonderes. Ich habe nie so was bekommen, keinerlei Plaketten, Metall zum Anstecken. Ich war einfach zu schlecht.“

„Ich will aber!“

„Was du alles willst. Von mir aus nähe ich dir was auf die Badehose oder die Oma stickt dir ein ganz besonderes Seepferdchen.“

„Mit der Aufschrift, ohne Tauchen“, witzelte er.

„Ohne Taucherbrille“, ergänzte ich.

Lustig glitzerten die Augen, die Mundwinkel frohgemut nach oben gestimmt, sponn er sich in eine Wortphantasie nach der anderen. „Seepferdchen für die Badewanne, Badewannenseepferdchen. Oberwasserseepferdchen…“, sprang er mit beiden Füßen auf den Boden.

Liebevoll wuschelte ich ihm das Haar. Wieder mal geschafft, die Aufmunterung vollzogen, könnte ich mir gleich selbst einen Kind-Aufmunterungsorden sticken.


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