Der Kleene, Maria und ich verbrachten den Herbsturlaub auf dem Land. Wir wurden von der Hausbesitzerin als Familie begrüßt. Ich lehnte vehement ab. Maria und ich hatten keinen Trauschein. Nein wir waren in keinster Weise zusammen. Wir hatten nur irgendwann beschlossen Freunde zu sein. Nicht das ich Frauen für uninteressant befand. Ganz im Gegenteil, doch der sexuelle Reiz erschloss sich mir offen gesagt noch nie. Für mich galten Männer noch immer als mein absolutes Zielobjekt. Den Hahn gezogen und abgeschossen…
Eines späten Nachmittags einigten wir uns auf einen losen Spaziergang. Der Kleene tat sich schwer mit der frischen Luft, denn er war schon mit Harry Potter zusammen in der zweiten Klasse gelandet. Er wollte unbedingt in die Kammer des Schreckens, nur dass es bis zu diesem Ungemach noch einige echte Abenteuer zu erleben galt.
„Ich will nicht“, schimpfte er.
„Du musst!“, sagte ich.
„Du kannst mir nichts befehlen. Ich habe Rechte, Kinderrechte.“
„Das ist alles Quatsch. Die gibt es nicht. Überhaupt nur weil die auf Kika immer laut grölende Gören bringen, die irgendetwas von freier Meinung quatschen, heißt das noch lange nicht das du machen kannst was du willst. Außerdem tut die Frischluft den Menschen gut und dir bestimmt auch“, schubste ich ihn zur Haustür hinaus.
„Wenn’s sein muss“, knurrte er unanständig.
Wir liefen die Straße hinunter, vorbei an Wiesen und Pferden, deren Köpfe neugierig über den Elektrozaun lugten. Wir passierten die Kirche mit dem anliegenden Friedhof. Plötzlich kam ein kleiner Junge auf einem Plastiktraktor mit Anhänger die Seitenstraße herunter geknattert. Er trat kräftig in die Pedalen, passierte und schaute interessiert an uns hoch. Dann fragte er mich wie der Kleene hieß.
Ich wies ihn daraufhin, dass ich keine Übersetzerin wäre und er gefälligst selbst fragen könne. Er leistete dem augenblicklich Folge. So entspann sich ein Gespräch mit langen Pausen zwischen dem Kleenen und dem noch Kleeneren.
Das Dorf hatte drei Straßen. So kehrten wir alsbald an seinem Haus vorbei. Dort stieg er von dem Gefährt ab, rannte in den Garten und kam mit einem Eisenhammer zurück. Damit klopfte er auf den Rasen. Dann folgte der Straßenbeton und die Hauswand. Die Eltern zeigten sich nicht. Kein Mensch weit und breit zu sehen, der ein Auge auf den Jungen hatte.
Ein richtiges Dorfkind, nickten Maria und ich uns zu.
Inzwischen war es stockdunkel. Der fünfjährige wollte unbedingt mit uns weiterziehen. Ich dachte an die tausend Gefahren, die da draußen lauerten, doch das Kind ließ sich nicht vom Weg abbringen. Er schwenkte den Hammer…
Gut, wenn es denn unbedingt sein muss, aber Vorsicht hob ich den Zeigefinger.
Sogar der Kleene zeigte Respekt und ging einige Meter hinter ihm.
Fortwährend knallte er das Werkzeug gegen jegliche Zäune, Bretter, und Baumstämme.
Ich räusperte mich.
In dem Fall tat das Kind als gehöre es nicht zu uns. Plötzlich drehte er auf die Wiese ab. Laut schrie er mit heller Stimme, dass wir warten sollten. Er müsste pinkeln.
Sonst gibt`s was mit dem Hammer, flüsterte ich.
Nach der Pinkelpause erreichten wir nach vielen kleinen Schritten unsere Unterkunft. Der Junge mit dem Hammer wollte mit rein.
„Nein, nein, hob ich die Hände vor die Brust. Hier der Kleene…“, schubste ich ihm die Schuld in die Schuhe. „Der muss noch Schule machen. Mathe lernen. Er schreibt bald ne Arbeit.
Ach morgen ist doch das große Feuer. Kommst du auch hin?“, hakte Maria ein.
Ich hoffte insgeheim auf eine Antwort wie ich bin zu klein dafür oder meine Eltern lassen mich nicht.
„Ich komme“, schnurrte er in die Nacht.
„Und verkleidest du dich?“, fragte sie ihn.
„Ein Spidermankostüm ziehe ich an.“
„Oh toll, dann sehen wir uns ja morgen. „Sollen wir dich noch nach Hause bringen? Findest du den Weg überhaupt?“, hörte ich sie sagen.
Das Hammerkind schwieg, drehte sich hammerschwingend in Richtung der Straße.
Auf wiedersehen winkten wir alle hinter her.
Im Schutze unserer kleinen Ferienwohnung feuerten wir den Kaminofen an. Das Holz loderte gemütlich und wir saßen auf den Stühlen davor.
„Irgendwie seltsam das Kind“, sagte ich.
„Warum der überhaupt so einen Hammer mit nimmt“, gab der Kleene zu bedenken.
„Hammerboy“, raunte Maria.
„Der gefährliche Hammerboy“, stimmte der Kleene in Vorfreude auf Halloween mit ein.
„Des Nachts kommt er zur Tür mit seinem Hammer herein und dann ist es um uns geschehen…“, senkte Maria ihre Stimme.
„Und die Tür ist verdammt noch nicht mal abgeschlossen“, presste ich die Lippen aufeinander. Wir besaßen wirklich keinen einzigen Schlüssel. Die Vermieterin war sich ja vollkommen sicher, dass im Dorf nicht eingebrochen wurde, nur an Hammerboy hatte sie nicht gedacht.
„Mama, du kannst ja einen Stuhl vor die Tür stellen“, griff sich der Kleene das Nintendo.
„Super Idee. Das mache ich. Dann höre ich wenigstens wenn er tief in der Nacht kommt….“
Am nächsten Abend trafen wir Hammerboy am großen Feuer. Wir erkannten ihn zuerst nicht, da er ein Skelettkostüm trug und nur einige Grunzlaute von sich gab. Als wir nach einiger Zeit feststellten, dass er es war, freuten wir uns riesig. Leider kam es zu keiner weiteren Kontaktaufnahme da die Eltern diesmal nah bei ihm standen. Auch war er in gewisser Weise uninteressant für uns geworden. Jetzt hielt er nur noch einen lapidaren Plastiklaternenstab in der Hand, welcher unsere Phantasie keinerlei beflügelte.